Kfz-Versicherung jetzt wechseln. NICHT!
Jedes Jahr dasselbe Spektakel: Die Medien rufen im November dazu auf, die Kfz-Versicherung zu wechseln und dabei 60% zu sparen. Viele Versicherer spielen dieses Spiel mit und versprechen den Kunden, die Größten, die Schönsten, die Schlauesten zu sein - und natürlich die Günstigsten. 60%, Leute. Jedes Jahr!
Der Redakteur der BILD hat leichtes Spiel. Auch der vom Focus oder der vom Stern. Jedes Jahr im November darf er einen Artikel mit Copy + Paste veröffentlichen und den Nachmittag frei machen. Am Folgetag erscheint die Headline:
Kfz-Versicherung jetzt wechseln und bis zu 60% sparen!
Dem intelligenten Menschen stellt sich dann allerdings die Frage: 60%? Jedes Jahr? Wie soll das bitte funktionieren?
Und tatsächlich, setzt man die Rechnung nur ein paar Jahre fort, landet man bei einem Betrag von wenigen Cent. Wer das glaubt, der glaubt vermutlich auch noch an den Osterhasen. Aber mal im Ernst: Lohnt es wirklich, jedes Jahr aufs Neue die Kfz-Versicherung zu checken? Eventuell sogar dort, wo man bekanntlich alles checken kann?
You´ve got the power, aber die Antwort von unserer Seite ist ein ganz klares "NEIN"! Setzen wir das mit dem logischen Denken doch mal fort: Werden die Autos jedes Jahr billiger? Oder die Reparatur in der Werkstatt? Die Ersatzteile? Und noch weiter gefragt: Die Butter im Supermarkt? Das Stück Fleisch beim Metzger? Oder der Hausbau? Wird das alles jedes Jahr billiger? Natürlich nicht.
Wieso also sollte ausgerechnet die Kfz-Versicherung billiger werden? Jedes Jahr? Wäre das logisch? Die Versicherung muss für Deine Reparatur in der Werkstatt mehr Geld bezahlen, weil die Ersatzteile teurer geworden sind und der Meister eine Lohnerhöhung bekommen hat - aber die Versicherung soll billiger werden? Macht keinen Sinn, oder? Exakt.
Also sollte man sich schnell von der Vorstellung verabschieden, dass die Kfz-Versicherung jedes Jahr günstiger wird. Im Gegenteil: Sie muss eigentlich sogar teurer werden, weil eben eigentlich alles teurer wird. Zum Beispiel die Reparatur, die Dir die Versicherung im Schadenfall zahlt. Bestenfalls bleibt der Beitrag der Kfz-Versicherung gleich, wenn gleichzeitig eben der Beitragssatz der Versicherung auf Grund Schadenfreiheit sinkt.
Warum also ist es trotzdem fast immer möglich, Geld zu sparen? Das ist recht einfach: Die Versicherer wollen Kunden haben. Die Versicherer wollen, dass genau Du Dein Auto bei ihnen versicherst. Also bieten sie Dir die Versicherung günstiger an. Aber wie funktioniert das? Wie kann man Rinderfilet günstiger anbieten als der Mitbewerber, wenn man dieselben Kosten hat? Logo, es gibt nur eine Lösung: Man macht das Stück ein wenig kleiner. So, dass es der Kunde nicht sieht.
Und genauso funktioniert es bei Deiner Kfz-Versicherung. Du bekommst auf Nachfrage von Deinem Versicherer einen günstigeren Preis angeboten? Dann kannst Du Dir ziemlich sicher sein, dass der Schutz ein wenig "kleiner" ist als vorher. Das fällt Dir selbst aber im ersten Moment - und vielleicht sogar später - gar nicht auf. Denn grundsätzlich gelten oft nach der Umstellung dieselben Leistungen wie vorher - nur eben... mmhhh... anders.
Zur Verdeutlichung haben wir ein paar Beispiele für Dich, wie Tarife sich in Details unterscheiden können, die der Laie niemals sieht:
1. Rückstufung im Schadenfall
Im Schadenfall (ausgenommen Teilkasko) erfolgt eine Rückstufung. Du verursachst einen Haftpflichtschaden und wirst aus Schadenfreiheitsklasse 20 (27%) in Schadenfreiheitsklasse 12 (33%) zurückgestuft. So, wie die Versicherungsbedingungen von Deinem "Tarif A" es vorschreiben. Im Folgejahr zahlst Du dann eben 50 EUR mehr.
"Tarif B" hingegen - vielleicht etwas günstiger im Beitrag - stuft Dich im Schadenfall von SF-Klasse 20 direkt in SF-Klasse 8 (39%) zurück. Das sind 4 Jahre, denen Du ab dann immer hinterherläufst. Außerdem zahlst Du statt 50 EUR dann 100 EUR mehr. Guter Deal?
2. Ein Schaden frei
Viele Tarife beinhalten den Bonus, dass bei Erreichen einer bestimmten Schadenfreiheitsklasse ein Schaden "frei" ist. Sprich: Es erfolgt zwar eine Rückstufung, aber der Beitragssatz bleibt gleich.
Vor einigen Jahren waren Tarife beispielsweise noch so konstruiert, dass der Kunde nach 25 schadenfreien Jahren einen Schaden frei hatte. Nach aktuell gültigen Tarifen bekommt er diesen Bonus dann erst nach 30 schadenfreien Jahren. Satte 5 Jahre. 5 Jahre, in denen viele Schäden passieren können, die Dir dann zum Nachteil werden.
Und das sind nur zwei Beispiele von vielen. Sie verdeutlichen aber schon: Auch wenn der Beitrag vordergründig günstiger scheinen mag. Du kannst ruhig davon ausgehen, dass sich der Versicherer dann auf andere Art und Weise das Geld von Dir holt. Denn er braucht das Geld. Er muss schließlich Deine Werkstattrechnung bezahlen. Die, die immer teurer wird.
Von komplett unterschiedlichen Tarifen einer Tarifgeneration fangen wir besser gar nicht erst an. Aber wir müssen!
Bemüht man bestimmte Vergleichsrechner im Internet, erscheint in den Top 10 der Ergebissen nicht selten ein und derselbe Versicherer mehrmals. "Toll!", mag man da denken. "Der Versicherer muss ja ganz günstig sein."
Denkt man aber weiter, muss man sich unweigerlich fragen, warum tatsächlich EIN Versicherer mehrmals in den Top 10 der günstigsten Autoversicherungen auftaucht. Es ist doch nur eine simple Kfz-Versicherung. Antwort: Die Leistungen unterscheiden sich jeweils. Und wenn sich Leistungen unterscheiden, muss die Konsequenz sein, dass in dem einem Tarif irgendetwas drinsteckt, was beim nächsten wieder fehlt.
Das Böse Erwachen kommt bei vielen Kunden dann erst im Schadenfall. "Wie? Es ist nicht versichert, wenn mir meine Taube in den Kühlergrill fliegt?"
"Waaas? Ich habe keinen Versicherungsschutz im Ausland?"
Die Versicherer haben da die tollsten Einfälle. Warum? Weil eben jeder möchte, dass Du Dich bei ihnen versicherst. Weil sie in den Vergleichen im Internet ganz vorne stehen möchten. Weil man im Internet heute eben alles checken kann.
Ist die Idee gut? Manchmal ja. Manchmal aber auch nein. Manchmal macht eine Überprüfung Deines Tarifs auch wirklich Sinn. Manchmal kann man eben sparen, auch ohne Leistungseinbußen. Manchmal kannst Du auch tatsächlich 60% sparen. Dann warst Du aber auch vorher im teuersten Tarif am Markt versichert.
Fazit: Natürlich ist es legitim, am Ende des Jahres, wenn die Medien wieder Alarm machen, seine Kfz-Versicherung zu überprüfen. Aber es ist eben auch nicht unwahrscheinlich, dass Du Dir bei einem Wechsel - egal ob Versichererwechsel oder nur ein Tarifwechsel beim alten Versicherer - schlechtere Bedingungen einkaufst.